Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel
warum, während Muslime „grün“ genannt wurden. Eine für uns alltägliche Aussage über Muslime war, dass sie „wie ein Weizenfeld im Wind“ waren - einmal in eine Richtung und einmal in die entgegengesetzte Richtung. In dieser Zeit der gegenseitigen Verdächtigungen und des Blutvergießens rettete ein muslimischer Freund und Klassenkamerad mir das Leben: Eines Tages wurde ich offiziell schriftlich aufgefordert, in den Schulkeller zu kommen, um ihn zu reinigen. Ich war dreizehn oder vierzehn Jahre alt und hatte keine Ahnung, worum es ging und lief zur Schule. In der Nähe der Brücke sah mich dieser Freund, vermutlich vom Fenster des Schulgebäudes aus, rannte zu mir und fragte mich noch keuchend: „Wohin“? „Ich habe einen Brief erhalten, hierher zu kommen“, sagte ich ihm, und er nahm mir den Brief aus der Hand, zerriss ihn, warf die Stücke in den Fluss und sagte zu mir: „Du hast nichts bekommen. Jetzt geh nach Hause und geh’ drei Tage nicht aus „. Ich traf Papas Cousin Manto (Menachem) Papo in der Nähe der Apotheke. „Wohin gehst du? „, fragte ich ihn und er sagte mir, er habe einen Brief erhalten, zur Schule zu gehen. Ich sagte zu ihm: „Du hast keine Einladung erhalten. Jetzt komm nach Hause und geh in drei bis vier Tagen nicht weg.“ Er akzeptierte meinen Rat und überlebte, starb aber später in Bergen-Belsen. Erst später erfuhren wir, was an diesem Tag wirklich passiert war und wie kurz ich davor gestanden hatte, ermordet zu werden: Ich fand heraus, dass die Kroaten, die Ustascha, Serben im Keller der Schule massakriert und dabei etwa fünfzig Männer getötet hatten. Nur den Priester hatten sie am Leben gelassen. Die Unglücklichen, die nach dem Massaker zum Aufräumen gerufen worden waren, wurden ebenfalls ermordet. Zwei Brüder, die zur katholischen Ustascha gehörten, hatten daran teilgenommen. Brüder desselben Mannes, der mich gerettet hatte. Sie waren aus einer Familie: zwei mörderische Brüder und ein dritter Bruder, der mich vor ihnen gerettet hat und dem ich mein Überleben verdanke. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ustascha bereits begonnen, Juden in verschiedenen Lagern in ganz Jugoslawien zu sammeln. Viele von ihnen wurden in das als grausam bekannte Lager Jakovo geschickt. Dr. Regina Attias aus Sarajevo diente in diesem Lager als Ärztin. Mit Einfallsreichtum und Mut konnte sie einige Kinder retten, indem sie sie als an Typhus verstorben einschrieb und sie zu jüdische Familien in Osjek schmuggelte. Darunter waren auch zwei Cousinen von mir, die Waisen wurden, weil ihre Mutter und Großmutter im Lager an Typhus starben. Ihr Vater blieb in Sarajevo am Leben, hatte jedoch keine Möglichkeit, sie zu wieder zu sich zu holen. Mein Vater schickte eine muslimische Frau mit zwei ihrer Kinder und einem Pass nach Osjek. Die Frau ließ ihre Kinder in Osjek zurück und kehre mit unseren Cousinen nach Vishegrad zurück. Sie schlossen sich unserer Familie Bato Kalderon (später Menachem Doron) und der Schwester Dinah an und durchlebten den gesamten Krieg mit uns mit allen Schwierigkeiten und Schicksalsschlägen. Sie waren für uns wie Bruder und Schwester. Anfangs lebte Dinah bei uns, während Bato (Abwandlung des Wortes Brat, bedeutet Bruder) zu meinem Onkel Leon, Salomons Vater, geschickt wurde. Ende September kamen die Italiener in unsere Gegend und blieben dort für den Rest des Jahres 1942. Ihre Anwesenheit führte zu einer Verbesserung der Bedingungen für uns, da sie nicht antisemitisch oder grausam waren und kaum Terror des Krieges gespürt hatten. Trotzdem verstanden meine Eltern, dass sie Initiative ergreifen sollten. Mein Vater hatte ein Visum für die Vereinigten Staaten als Treibstoffverkäufer einer amerikanischen Firma und er unternahm Schritte unser Haus zu verkaufen, um Geld für die Reise und Startkapital für das Leben in dem neuen Land zu haben. Aber die Pläne liefen nicht gut, da die Waffenfabrik auf der anderen Seite des Flusses, nur 100 Meter von unserem Haus entfernt war, und alle, die sich für den Kauf interessierten, mit einer ähnlichen Antwort zu uns zurückkehrten: „Ich bin nicht bereit, dieses Haus zu kaufen. Schließlich ist der erste Ort, an dem während des Krieges geschossen wird, die Waffenfabrik.“ So kam er von der Reise nach Amerika ab, und wir lebten weiterhin unter italienischer
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