Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

immer wieder gezählt, um sicherzustellen, dass niemand vermisst wurde. Wir standen draußen bei Regen und Schnee, im kalten Winter in Norddeutschland, in dünnen Kleidern und ohne Schuhe, manchmal von acht Uhr morgens bis in den Abend. Meine Beine, die auch sehr schwach waren, schmerzten mich dabei besonders und ich hockte oft auf meinen Fersen, wenn ich nicht mehr stehen konnte. Ich richtete mich erst wieder auf, als ich hörte, dass einer der deutschen Aufseher sich näherte, um uns zu zählen. Geld war im Lager nicht von großem Wert, aber der Tauschhandel florierte. Ich habe zum Beispiel Geschäfte mit niederländischen Gefangenen gemacht, die Privilegien hatten und ins Lager kamen, um den Deutschen das Polieren von Diamanten beizubringen. Sie brachten die Sachen von zu Hause mit, eingewickelt in Zeitungen. Einmal im Monat hatten sie die Möglichkeit, ins Lager zu gehen und Sachen herauszuholen. Ich verkaufte ihnen mein wöchentliches Brot für Holzschuhe, und die alten Zeitungen benutzten ich anstelle von Socken. Jedes Mal, wenn sie nass wurden, mussten ich sie durch neue ersetzen. Solange ich in der Küche gearbeitet hatte, konnte ich das Gemüse essen, das ich von dort schmuggelte, und die Suppe, die wir manchmal mittags bekamen und so meine Dosis Brot eintauschen, aber nachdem ich von meiner Küchenarbeit versetzt worden war, konnte ich das nicht mehr tun. Mein Zeitungsvorrat ging zur Neige und ich musste barfuß in der Kälte stehen. Das Stück Brot war vier Zentimeter lang und hätte eine Woche lang reichen sollen. Unter den Insassen befanden sich viele, deren Hunger sie dazu trieb, alles auf einmal zu essen. Dann mussten sie stehlen, um die Woche zu überleben. Meine Brotdosis hielt ich in der Tasche. Ich hatte ein kleines Messer, mit dem ich jedes Mal etwa zwei Millimeter dicke Scheiben abgeschnitten habe, damit mein Brot für sieben Tage reichte. Zigaretten wurden auch als Währung für den Handel im Lager verwendet. Gefangene, die 16 Jahre oder älter waren, erhielten gelegentlich Pakete vom Roten Kreuzes, darunter kroatische Zigaretten und gemahlenes Kichererbsenpulver, das mischten wir mit Wasser mischten und machten einen Aufstrich daraus. Einmal bekamen wir Schnecken, die ich schnell eintauschte und ein anderes Mal bekamen wir eine Käsescheibe mit Würmern. Wir mochten es nicht, aber die Holländer waren verrückt nach diesem Käse und waren bereit, dafür für alles zu geben, was wir wollten. Als ich im Lager ankam, war ich ein behütetes Mädchen, in dessen ganzem Leben darauf geachtet worden war, nicht zu fallen oder verletzt zu werden. Meine Schwester Cila kümmerte sich um mich, hob heruntergefallene Gegenstände auf, damit ich mich nicht bücken musste. Aber im Lager kehrten sich die Verhältnisse zwischen uns um und ich war diejenige, die sich um sie kümmerte. Wie es manchmal unter extremen Umständen der Fall ist, entwickeln Menschen Kräfte, die sie zuvor nicht bei sich vermutet hätten. Mein Vater hatte auf einem Blatt Papier, das er organisiert hatte, einen provisorischen Kalender angelegt. So konnten wir die Daten im Lager verfolgen, wo die Zeit anders verging als anderswo. Gegen Ende 1944 kam eine Gruppe ungarischer Juden im Lager an, die in Auschwitz gefangen waren und nach Bergen-Belsen gebracht wurden, weil Auschwitz vor der Räumung stand. Sie waren in einem sehr schlechten Zustand, sehr krank, erschöpft und verhungert. Da sie mit der mörderischen Tötungsprozedur der Deutschen und den Krematorien bereits sehr vertraut waren, brachen sie in Schreie aus, als sie angewiesen wurden, in Bergen-Belsen unter die Dusche zu gehen. Um sie zu beruhigen wurden wir um zwei Uhr nachts in der Dunkelheit und Kälte der Winter zum Duschen aufgestellt, damit diese Gefangenen erkennen konnten, dass dies nur Bäder zur Reinigung waren.

Unter den Frauen aus Auschwitz befand sich eine jugoslawische Gefangene, die in den Wäldern im

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