Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

Wir kamen in Sarajevo an und kannten dort niemanden. Am Bahnhof fragte uns einer der Einheimischen: „Sind Sie Jude?“ Als wir mit Ja antworteten, sagte er: „Heute ist Ihr großer Tag. Alle Juden sind in der Synagoge. Ich führe Sie hin und vielleicht treffen Sie jemanden aus der Familie.“ Es stellte sich heraus, dass es Jom Kippur war. Wir trafen unsere ehemalige Nachbarin aus Vishegrad, Bukitza Gaon, eine Holocaust-Überlebende, die nach dem Krieg mit ihrer Schwester Lotika Gutman nach Sarajevo zog. Wir gingen in unseren ärmlichen Kleidern, in denen wir in den Feldern auf dem Boden geschlafen hatten, durch die Stadt zu ihrem Haus, wo wir duschten und saubere Kleidung bekamen. Die war natürlich zu groß. Dann wurde uns trotz des Fastens Essen serviert. Von dort gingen wir zur Synagoge gegenüber ihrem Haus. Ich betrat die Synagoge und erkannte niemanden. Die Einheimischen fragten, woher wir kämen. Ich sagte ihnen, dass wir aus Vishegrad seien und ich nannte die Namen von Familienmitgliedern, die in Sarajevo lebten. Es stellte sich heraus, dass keiner von ihnen überlebt hatte. Eine der Frauen in der Synagoge, Papo Medika, sagte uns: „Ich habe eine Tochter und jetzt habe ich drei Mädchen“ und nahm uns unter ihre Fittiche. Zu Beginn des Schuljahres zog meine Schwester Cila in das Waisenhaus von Sarajevo, das sich auf einem Schulkomplex namens „The Partisan Gymnasium“ oder „Tito's Gymnasium“ befand. Dort studierte sie den Unterrichtsstoff von drei Klassen in einem Jahr und machte im Erwachsenenalter ihren Abschluss. Weil ich älter war hatte ich nicht mehr diese Möglichkeit, die verlorenen Schuljahre nachzuholen. Erst später, als ich Mutter geworden war, saß ich stundenlang mit großer Freude bei Shmuel, meinem Sohn, wenn er seine Schularbeiten machte und studiert das Material mit ihm zusammen. Sehr schnell wurde mir klar, dass meine Kindheit zu Ende ging und dass es sinnvoll wäre, so schnell wie möglich zu heiraten und meine eigene Familie zu gründen, wenn ich nicht Medikas Herz und Gastfreundschaft weiter ausnutzen wollte. Während der vier Tage zwischen Yom Kippur und Sukkot besuchten wir Medikas Freundin aus dem Lager, Flora Ashkenazi ist ihr Name. Dort traf ich auch meine zukünftige Schwägerin Joya und ihren Ehemann Binko (Benjamin) Abinun. Sie waren die Eltern eines süßen Neugeborenen namens Nada, was „Hoffnung“ bedeutet und später in „Nava“ umbenannt wurde. Nada eroberte schnell mein Herz und als Joya bemerkte, wie sehr ich Kinder liebte, bot sie uns an, sie zu besuchen. Tatsächlich besuchte ich sie im September und dort traf ich Leon, den Bruder ihres Mannes, der ein Soldat von Tito war und zu seinem Besuch Uniform in erschien. Leon lud mich zu einem Spaziergang ein und fragte mich bereits während dieses Besuchs: „Willst du mich heiraten?“ Trotz unserer kurzen Bekanntschaft fühlte ich eine gewisse Nähe zu ihm und seiner Familie, die ich ja bereits kannte und sehr gern hatte. Hinzu kam, dass ich nicht länger eine Belastung für Medikas Familie sein wollte, und wusste, dass ich ohne Bildung nicht alleine leben konnte. Deshalb habe ich „Ja“ gesagt und am 1. Oktober haben Leon und ich geheiratet. Es war kein festliches Ereignis. Ich kam in normaler Kleidung zu einem Beamten der Stadt, und dort wurden wir als verheiratet registriert. Bis dahin hatte Leons Gehalt nur 200 Dinar pro Monat betragen, und nach der Heirat stieg sein Gehalt auf 1.000 Dinar, um uns das Leben als Familie zu ermöglichen. Am 18. November 1945 heirateten wir nach jüdischem Recht in der Synagoge und registrierten uns als Ehepaar in den Büchern der jüdischen Gemeinde. Diesmal gelang es Joya, einen Stoff für mich zu besorgen, und so trug ich zu der Veranstaltung ein grünes Kleid, das dem Anlass einen festlichen Touch verlieh. Während dieser Zeit wurden Essenszulagen verteilt. Die Menge an Getreide für Mehl war begrenzt und geringer als benötigt. Die Mehlzuteilungszulage wurde der Bäckerei geliefert und wir gingen jeden Tag hin, um daraus für uns gebackenes Brot zu erhalten. Als Bezahlung behielt die Bäckerei einen bestimmten Prozentsatz unserer Zulage. Das Treffen mit Leon, meinem Mann

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