Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

Ness Ziona

Im Juni 1949 bezogen wir unsere neue Einzimmerwohnung mit Küchenzeile und Gemeinschaftsbad im Freien und zahlten jeden Monat 4 IL Miete an Amidar. Die Hütten waren zweigeteilt, und wir lebten dort zusammen zwei jugoslawischen Familien, eine kam aus der Vojvodina an der ungarischen Grenze und eine aus Sarajevo. Unsere Nachbarn waren ebenfalls Holocaust-Überlebende, allerdings nicht aus Bergen-Belsen. Auch hier bekamen wir Klappbett und eine Strohmatte. Die Küche war sehr klein, ein halbhoch gefliester Raum mit einem Waschbecken. Später kauften wir einen Petroleumbrenner und einen Topf. Wegen der Enge kochte ich damit außerhalb der Hütte. Die Sommertage waren heiß und die frei verlegte Wasserleitung lieferte daher tagsüber nur kochendheißes Wasser. Damit wir es trinken konnten, haben wir das Wasser im „Kühlschrank“ gekühlt, einer Kiste mit einem Eisblock, und wuschen uns hauptsächlich nachts, wenn das Wasser in der Leitung bereits abgekühlt war. Im Winter mussten wir es auf dem Petroleumbrenner erhitzen. Eine Zeit lang gab es Läuse. Einmal alle ein bis zwei Wochen gingen wir dann zum Kibbuz Effal (wo Ramat Effal heute ist) und warteten im Haus meines Schwagers Binko, bis unser Zuhause vom Ungezieferbefall befreit war. Es war sicherlich kein leichtes Leben, und doch schätzte ich nach Jahren der Flucht und des Herumziehens sehr, endlich ein Zuhause zu haben. Ich war froh, das Einwandererlager in Beer Yaakov zu verlassen zu haben. Kurz nachdem wir nach Ness Ziona gezogen waren, wurde mein Mann Leon zur Armee gerufen und ich blieb mit Shmuel in Ness Ziona allein zurück. Zu diesem Zeitpunkt beherrschten wir die hebräische Sprache noch nicht. Leon, der schwerhörig war, lernte nur zufällige Worte aus Gesprächen und ich hatte während des Religionsunterrichts in Jugoslawien nur einen mageren Wortschatz erworben: Stuhl, Schreibtisch, WC, Bank und Synagoge. Außerdem kannte ich die Buchstaben, las aber nicht. Ich konnte nicht in ein Sprachstudio gehen und ordentlich lernen, weil ich nicht wusste, wie ich das bezahlen sollte. Außerdem waren wir sehr beschäftigt, den Lebensunterhalt für unsere Familie zusammen zu bekommen. Mein Mann erledigte alle erforderlichen Schneiderarbeiten, Neuanfertigungen, Reparaturen, Bügelarbeiten und vieles mehr, während ich im Haus eines der Polizisten arbeitete. Dann arbeitete ich in einer Obstplantage in Beit Hanan, pflückte und verpackte Orangen und nahm jede weitere Gelegenheitsarbeit an. Irgendwann montierte ich elektrisches Zubehör im „Techramic“-Werk in Ness Ziona, und fuhr von dort aus nach Lachish, um bei der Traubenernte zu arbeiten. Wir wurden dazu morgens auf Lastwagen hingebracht und abends wieder zurück. Ich nahm jede Arbeit an, die sich mit bot. Im Sommer, als die Obstbäume beschnitten und die abgeschnittenen Zweige verbrannt wurden, war es meine Aufgabe, darüber zu wachen, dass sich das Feuer nicht unkontrolliert ausbreitete. Immer, wenn weitere Zweige ins Feuer geworfen wurden, stoben Funken. Als daraus einmal ein großflächiger Brand entstand, fing ich an zu schreien, bis die Arbeiter kamen und fragten: „Was schreist du?“ und traten das Feuer mit den Füßen aus. Ich war danach immer noch verängstigt und sagte mir „Genug! Diesen Job mache ich nicht mehr!“ Viele unserer Freunde waren neue Einwanderer, die mit uns auf demselben Schiff aus Jugoslawien gekommen waren und viele, die ich aus Bergen-Belsen kannte. Zu denen gehörten Isaac Cohen und seine Frau Rachel, die von Beer Yaakov in den Kibbuz Givat-Brenner gezogen waren. Nach den Strapazen, die wir gemeinsam durchgemacht hatten, waren sie wie eine Familie für mich und auch mein Mann Leon betrachtete sie als Seelenverwandte. Wir haben jedoch nie über unsere Erlebnisse in den Lagertagen gesprochen. Wir alle waren froh überlebt zu haben und wollten vergessen, was wir durchgemacht hatten. Auch ohne darüber zu reden verband uns das gemeinsame Schicksal. Durch sie lernte ich Isaacs

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