Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel
Zeitpunkt war meine einzige Begegnung mit den anderen älteren Israelis die Verteilung der Nahrungsmittel und so war das erste Wort, das ich auf Hebräisch lernte, „Geduld“: Steh in dieser Schlange, Geduld! Steh in einer anderen Schlange, Geduld! Zum Schlafen bekamen wir einfache Strohmatratzen, aber überraschenderweise bestanden die Decken, die wir dazu bekamen, aus bestem englischem Stoff. Viele Leute gaben meinem Mann ihre Decken, um daraus gegen Bezahlung Mäntel zu nähen. Diese Mäntel wurden „Kulieka“ genannt, eine kragenlose Jacke mit Knöpfen, ohne Futter, aber komplett von Hand gefertigt. Ich bereitete für Leon, das Bügeleisen, das mit Kohle erhitzt wurde, vor. Weil wir keine Kohle zur Hand hatten, mussten wir auch Holzstücke sammeln und Kohle daraus machen. Es war unsere erste Lebensgrundlage im neuen Land. Die vier Pfund, die mein Mann durch das Nähen dieser Mäntel verdient hatte, mussten wir jedoch als Rückzahlung für die Reise nach Israel an die Agentur weitergeben. Shmuel, unser Sohn, war bereits zweieinhalb Jahre alt und von Windeln entwöhnt. Das ersparte mir viel Mühe beim Waschen und Trocknen, aber der Mangel hielt an. Sechs Monate lang warteten wir darauf, dass die Sachen, die wir vorausgeschickt hatten, bei uns ankamen. Wir hätten es schneller bekommen können, aber wir hatten nicht das Geld, zum Lager nach Haifa zu fahren und es selbst zu transportieren. Der Container war riesig, fast so groß wie ein Raum. Später haben wir ihn mit Dachpappe bedeckt und eine Tür eingebaut, damit meinem Mann ihn als Arbeitsraum nutzen konnte. Um Platz in der Küche zu schaffen, haben wir vor dem Haus eine Feuerstelle zum Kochen eingerichtet. Es war kein einfaches Leben. Wir arbeiteten und wussten, dass es den meisten um uns herum nicht besser ging. Das war, was die Siedlungen im Land in jenen Tagen boten. Es war nicht die Zeit für große Wünsche. Fünfhunderttausend Menschen hatten Millionen von Einwanderern aufgenommen - aber nicht integriert. Alle arbeiteten und legten einen Penny zum anderen. Neben uns lebte eine Familie namens Shochtaowitz. Ich ging zu ihnen, wusch ihre Wäsche, bügelte und manchmal, wenn es samstags eine Feier gab, spülte ich danach das Geschirr. Ein halbes Pfund für diese Arbeit reichte um Milch, Eis, Brot und ein wenig Margarine für zwei Tage zu kaufen. Eier gab es in dieser Zeit des Mangels nur gegen entsprechende Bescheinigungen, also gab es für uns keine. Aber wir mussten nicht hungern. Wir aßen Brot mit Margarine, Salz und etwas Öl. Ab und zu gewannen wir, wenn eine Schachtel Milch- oder Eipulver verlost wurde. Heute beschweren sich die Leute, wenn etwas nicht bekommen, damals hat sich niemand beschwert, niemand beklagte sich. Wir haben nicht gefragt „Wohin fährst du in den Urlaub?“ Wenn wir uns trafen, fragten wir: „Wie geht es dir? Arbeitest du?“ Wir waren froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Wer auch immer Kontakte zu einer Familie im Land hatte fand leichter eine Wohnung und einen Arbeitsplatz und zog aus. Diejenigen, die diese Möglichkeit nicht hatten, gingen dorthin, wohin sie geschickt wurden. Nach einigen Monaten in Beer Yaakov wurde uns angeboten, in eine Hütte im Amidarviertel von Ness Ziona zu ziehen. (AMIDAR ist eine israelische Organisation, die Sozialwohnungen anbietet. Der Name bedeutet „mein Volk lebt in“). Man sagte uns, dass es ganz in der Nähe von Tel Aviv liegt, und ohne etwas über den Ort zu wissen, waren wir uns einig dorthin zu gehen. Und so verließen wir ein halbes Jahr später Beer Yaakov mit 4 IL pro Kopf (Israelische Lira, palästinensisches Pfund, das entsprach bis 1952 einem britischen Pfund oder einem Pfund Sterling), die wir von der Agentur zusammen mit einem Bett für jeden von uns, einem Tisch und drei Stühlen erhielten. Damit zogen wir nach Ness Ziona.
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