Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

Später kontaktierte mich Tammy Saknai vom Verein „Roots“, der Wohnzimmer-Gedenktreffen organisierte, und bat mich, meinen Lebenslauf einer Gruppe mekkanischer Mitarbeiter einer Werbefirma zu schildern. Und so sprach ich 2017 mit diesem Publikum über die schwierigen Erfahrungen und Erinnerungen. Obwohl es ein vollwertiges Auditorium war, war ich von der Gruppe nicht begeistert. Zu Anfang ist mir das Sprechen vor Publikum schwergefallen, aber nach all den Jahren der Gespräche mit Betreuern von AMCHA bin ich heute nicht mehr aufgeregt. Diese Ereignisse sind für mich Geschichte, wie jedes andere Geschichtsbuch, das ich lesen werde, und so kann ich sie erzählen, ohne das langewährende Knirschen in meinem Hals. Ich tue das, weil ich möchte, dass sie nicht vergessen, was geschehen ist, und es niemals wieder geschehen darf, denn ich sehe, was in der Welt um uns herum passiert, wie der Antisemitismus zunimmt und die Angst zurückkehrt. Eine weitere wichtige Botschaft: Einzelpersonen im Krieg konnten nicht widerstehen, und die Einheimischen halfen nicht, weil sie Angst vor den Bestrafungen der Deutschen hatten oder weil sie selbst antisemitisch waren. Von den Männern, die als Partisanen kämpften, fielen einige und einige wurden von den Chetnitk-Serben getötet. So wie mein Cousin, der versucht hatte, sich den Partisanen anzuschließen, er wurde von einem Chetnitk-Serben zur Ustascha zurückgebracht und von denen ermordet. Es ist mir wichtig, das all jenen Menschen entgegenzuhalten, die behaupten, die Opfer des Holocaust seien wie Schafe zur Schlachtbank gegangen. Sie sollen wissen, dass es Menschen gab, die auch an den dunkelsten Orten Mut, Großzügigkeit und gegenseitige Hilfe bewiesen haben. 2016 habe ich einen Ausflug der Großfamilie nach Jugoslawien initiiert. Die ganze Familie schloss sich an und so reiste ich mit Shmuel, den Enkeln und Urenkeln, zwei meiner Neffen und ihren Ehepartnern dorthin. Jenny bekam kein Visum für Serbien, weshalb ich eine serbische Helferin, Lili Papo, engagierte, die mich begleitete. Am Belgrader Flughafen entdeckte der Zollbeamte meine Gläser mit hausgemachter Marmelade verweigerte deren Einfuhr. Aber als er hörte, wie meine Begleiterin Lily mich Baba nannte, kam ein Lächeln auf sein Gesicht und er sagte: „Meine Großmutter schickt mir auch solche Marmeladen“ und ließ mich damit durch. In der ersten Woche der Reise war ich mit meinen Neffen, Roni, seiner Frau Abigail Eliza, und Ari und seiner Frau Abigail zusammen in Vishegrad. Ich hatte die Stadt schon einmal besucht, aber diesmal bemerkte ich, wie sehr sie sich verändert hatte. Der Bürgerkrieg und die Bombenangriffe haben ihre Spuren hinterlassen. Die Brücke über die Drina, ein Symbol für Umwälzungen, war für den Fahrzeugverkehr gesperrt und konnte nur zu Fuß über Bretter überquert werden, da sie seit 1992 nicht mehr renoviert wurde. Die Umgebung der Brücke hat ihr Gesicht verändert. Wo die Präriebäume entlang des Flusses standen, wurden ein Damm gebaut und ein See für Touristenschiffe angelegt. In der Gegend, wo früher eine Müllkippe war, wurde ein Ort zum Gedenken an Ivo Andrich eingerichtet, den Freund meines Vaters aus Kindertagen, der das Buch „Die Brücke über die Drina“ schrieb und dafür den Nobelpreis bekam. Dort war eine Skulptur mit seinem Abbild aufgestellt und ein Museum zum Gedenken an ihn eingerichtet worden. Die Gegend entlang der Straße war voll mit Ständen, an denen russische Hausierer und Zigeuner den Passanten und Besuchern ihre Waren anboten, Souvenire und Schmuck für Touristen. Eine weitere wichtige Botschaft ist, dass wir schätzen müssen, dass wir in einem Land leben, das kämpfen und verhindern kann, dass sich so etwas wiederholt, anstatt es als selbstverständlich zu betrachten. Das Leben heute

Das Stadtzentrum hat sich ebenfalls verändert und einige der Straßen, an die ich mich erinnere, sind

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