Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

Arzt, der ihn fragte: „Wollen Sie dieses Wasser für immer loswerden? Ich weiß, dass Sie als Juden kein Schweinefleisch essen, aber wenn Sie gesund werden wollen, müssen Sie anfangen, es zu essen.“ Mein Vater tat es und das Problem verschwand. Ich erinnere ich mich nicht, dass er danach noch einmal nach Belgrad gereist ist. Er hatte sein eigenes Brettchen und ein kleines Messer und er wickelte das Schweinefleisch gut in Papier ein, damit es nichts anderes berührte. Meine Mutter breitete Brot für ihn vor und servierte ihm das Salz in einem kleinen Stück Papier, damit er den Salzstreuer nicht mit den Händen berührte. Er setzte sich auf einen niedrigen Hocker neben unserem Esstisch und hielt das Brett mit dem Essen auf seinem Schoß. Uns den Mädchen wurde gesagt, dass unser Vater Froschfleisch aß. Gott bewahre! Wir haben nie nach dem Geschmack gefragt. Einmal ging ich zur Geburtstagsfeier einer nichtjüdischen Freundin. Sie servierte uns Sandwiches und sagte: „Aber Du weißt, dass das Schweinefett Schimmel enthält?“ Ich sagte mir, was kümmert mich das und entschied Mama nichts zu sagen und zu sehen, ob etwas mit mir geschieht. Wir hatten immer so Angst vor den verschiedenen Verboten. Als Kind glaubte ich an Gott und fürchtete ihn sogar, aber das erste Mal, dass ich zu Jom Kippur fastete, kam später, als ich bereits in Bergen-Belsen war. An diesem Tag brachten uns die Deutschen am frühen Morgen zum Fasten in die Bäder und hielten uns dort bis zum Abend ohne Essen fest. Diejenigen, die nicht fasteten, blieben im Lager und erhielten ihre magere Portion. Wenn wir nicht gesagt hätten, dass wir fasten, hätten wir das Essen bis zum Ende des Fastentages aufbewahren können. Zum Glück blieb mein Vater im Lager und schaffte es an diesem Tag, ein wenig Essen für mich aufzubewahren. Trotz des frommen Hauses, in dem ich aufwuchs und erzogen wurde, war ich nach dem Krieg ohne einen Tropfen Glauben. Bis dahin hatte ich bedingungslos geglaubt und Angst was passieren würde, wenn ich eines der vielen Verbote nicht befolgte. Ich erinnere mich gut an einen Freitagabend in unserem Haus. Ich öffnete den Ofendeckel und warf ein Stück Papier hinein und meine Mutter schrie mich an. Dann musste ich fünf Samstage lang neben dem „Candillo“, einem Gefäß mit Öl und Faden stehen, sie anzünden und zusammen mit Mama beten, um die Tat zu büßen. So fromm war meine Mutter. Heute bin ich voller Zweifel. Wo war Gott während des Krieges und was haben all diese kleinen ermordeten Kinder mit ihm gemacht? Ich kannte viele Juden, die nach den Schrecken des Krieges ihren Glauben verloren hatten. Sogar mein Mann, der aus einer langen Reihe von Rabbinern stammte, verließ die Gruppe, als er nicht mehr glauben konnte. Abgesehen von den verschiedenen Köstlichkeiten, die sie an jüdischen Feiertagen zubereitete, sagte meine Mutter immer wieder: „Sägemehl macht es auch köstlich, wenn man genug Zucker dazu tut“. Ihre Marmeladen waren in der Tat berühmt denn sie wusste, wie man aus Obst Marmelade macht. Das meiste davon kaufte sie von einem Mann, der ein- oder zweimal mal im Monat kam, um die Schornsteine unseres Hauses zu reinigen. Meine Mutter hatte ein großes, tiefes Metallgefäß, das sie aufs Feuer setzte. Jedes Jahr vor Sukkot bekamen wir 200 kg Pflaumen, die darin zu Marmelade gekocht wurden. Wir waren ein kleiner Familienbetrieb: Vater, Mutter, Cila und ich krempelten die Ärmel hoch und entsteinten die Früchte. Dann entzündete meine Mutter das Feuer unter dem Gefäß und nicht lange danach schwebte der aromatische Geruch der Pflaumen durchs ganze Haus. Meine Mutter fügte der Marmelade Nelken, Orangenschalen und Mandarinen, die nach Zitrusfrüchten dufteten, hinzu. Mutters Küche

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