Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

Der Wald war für uns wie ein riesiger Themenpark. Mein Vater bastelte für uns eine Holzpuppe, die sich drehte, wenn wir auf die Stange, die sie hielt, drückten. Er perforierte den hohlen Zova-Zweig, machte daraus eine Art Flöte und spielte darauf. Er versuchte sogar, mir das Reiten beizubringen, aber ich mochte es nicht und bat ihn, mich wieder herunter zu lassen. Cila genoss es dagegen sehr und wollte es wiederholen. Mancher sagte über sie: „Sie hätte als Sohn geboren werden sollen.“

1938 - Schicksalsjahr

Bis 1938 lebten wir friedlich mit unseren muslimischen und christlichen Nachbarn zusammen, aber dieses Jahr gab es eine Wende. Zum ersten Mal in meinem Leben verspürten wir Antisemitismus. Zunächst wurde ein Dekret erlassen, das Juden verbot, die Grundschule zu besuchen, wenn ihr Einkommen eine bestimmte Schwelle überschritt. Man begann, jede Steuererklärung von Juden im Detail zu überprüfen, um zu prüfen ob sie Steuerhinterzieher waren. Das betraf uns nicht direkt weil unsere Einnahmen weit unter der festgelegten Schwelle lagen, aber wir spürten die bösen Geister um uns herum. In diesem Jahr wurde, wie bereits erwähnt, die Waffenfabrik eingeweiht und die Einwohnerzahl vergrößerte sich um etwa 3.000 Menschen. Vor diesem Hintergrund und angesichts unserer wirtschaftlichen Situation haben wir ein Zimmer an zwei Mitarbeiter der Fabrik vermietet. Jeden Morgen backte meine Mutter Boicus für sie, eine Art kleine Brötchen. Zu dieser Zeit wurde es uns verboten, eine Haushaltshilfe zu beschäftigen. Da die unsrige sich neben ihren haushaltlichen Aufgaben auch um die Wäsche unserer Untermieter zu gekümmert hatte und meine Mutter klein und schwach war, hatte sie Schwierigkeiten, dies zu übernehmen und so fiel die mir diese Aufgabe zu. Einmal in der Woche wusch ich die Kleidung der Mieter und wechselte die Bettwäsche für sie. Das waren amerikanische Baumwolltücher, die gestärkt und gebügelt werden mussten. Im Winter fiel die Temperatur manchmal auf 20 Grad unter Null. Sobald ich die Bettwäsche zum Trocknen aufgehängt hatte, gefror sie und klebte. Über Nacht konnte die Wäsche nicht hängen bleiben, weil sie bei Nebel und Schnee wieder nass würde. Wenn ich dann abends versuchte, sie von der Leine zu nehmen, konnte sie reißen. Der Waschvorgang selbst war nicht sehr schwierig. Mama hat das Wasser erhitzt und ich habe die Wäsche auf dem Waschbrett gerieben, aber als ich sie aus dem Wasser holte, fror sie und meine Hände auch. Es war schwer, aber ich hatte keine Wahl. Die Nachrichten, die wir im Radio hörten, waren nicht ermutigend. Zweimal hörte ich sie zusammen mit meiner Familie und beide Male bekam ich Angst und Fieber. Es gab bei mir immer so eine harte Reaktion auf beängstigende Nachrichten. Selbst als sie wegen eines Hundes mit Tollwut in unserer Gegend herumliefen, geriet ich in Panik und bekam sofort Fieber. Bereits 1938 hörten wir im Radio, was in Österreich passiert ist, die Stiefel der Nazisoldaten marschieren auf den Straßen. Bis zum heutigen Tag macht es mir Angst, wenn ich dieses Geräusch höre. Wenn ich in der Nacht davon träume, wache ich erschrocken auf. Der Zustand meiner Mutter verschlechterte sich sehr. Unter der Arbeitsbelastung und dem mentalen und finanziellen Stress wurde sie depressiv. Sie weinte nachts im Schlaf und lief oft nachts in der Stadt herum. Mein Vater, beauftragte einen Detektiv und bezahlte ihn, um sicherzustellen, dass sie sich nicht verletzt. Sie kam aber immer von ihren nächtlichen Wanderungen nach Hause. Einmal kam sie zurück und erzählte uns, dass sie ein Polarlicht am Himmel gesehen hatte der das Kommen des Krieges angekündigt habe. Und der Krieg ist tatsächlich gekommen.

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