Gizelas Geschichte - Afik Shiraz. Abinun Shmuel

Zvi David Kochav - Die Zeremonie in Deutschland im Jahr 2005

Ich habe bereits erzählt, dass ich seit dem Krieg nicht mehr weinen konnte. Das Weinen steckt in meinem Hals und die Tränen können nicht herauskommen. Ich habe nicht geweint, als ich meine Lieben verloren habe und auch nicht, als ich Mutter wurde. Trotzdem habe ich einmal geweint. Das war im Jahr 2003, als ich im Jurnal „Bridge“ (Journal of Jugoslavian Immigrants Association) auf einen Artikel stieß, in dem von einem Massengrab berichtet wurde, in dem einundfünfzig Bestattete gefunden wurden, davon sechs Jugoslawen, die im Lost Train in der Nähe von Schipkau ums Leben gekommen waren. Unter den sechs Namen in der Liste fiel mir ein Name auf - Aaron Altarac. Das war mein Vater! Neben der Anzeige stand eine Telefonnummer eines Mannes namens Zvi David Kochav. Ich rief Zvi aufgeregt an und erfuhr von ihm, dass er den Ort gefunden hatte, als er nach Informationen über seine Großmutter, die im verlorenen Zug starb, gesucht hatte. Bis dahin gab es dort es ein provisorisches Denkmal, das aus einem Fahrgestell des Zuges und einer Tafel bestand, auf der die Namen der Verstorbenen standen. Zvi erzählte mir, dass er von seinem Geld die Errichtung eines neuen Marmordenkmals in der Nähe des ehemaligen Denkmals bezahlt habe. Shmuel und Ella kamen gerade von einem Kinobesuch zurück und riefen mich an. Ich konnte ihnen nur sagen: „Vaters Grab wurde gefunden.“ Ich konnte keine Worte mehr sprechen. Sie waren so erstaunt, mich zum ersten Mal in ihrem Leben weinen zu hören, dass sie sofort zu mir nach Hause zu eilten. Im April 2005 fand in Schipkau die Gedenkfeier zum 60-jährigen Jubiläum des „verlorenen Zuges“ statt. Zvi, der nicht an der Zeremonie teilnehmen konnte, bat mich, seinen Platz bei Shmuel einzunehmen, und schickte mir einen Scheck über 9.000 NIS zur Deckung der Reisekosten. Als wir erfuhren, dass es sein persönliches Geld war, nahm ich ein Drittel davon an und gab den Rest zurück.

Die Entscheidung, nach Deutschland zu reisen, war sehr schwer für mich. Es war der Bruch des Gelübdes, in dem ich am Ende des Krieges geschworen hatte, dass ich meinen Fuß nie wieder auf deutschen Boden, wo so viel Böses geschah, setzen und dass ich nie wieder die deutsche Sprache hören und sie nie wieder gebrauchen würde. Gleichzeitig wusste ich, dass ich das Denkmal am Grab meines Vaters mit eigenen Augen sehen und mich an diesem Ort an ihn erinnern musste. Und so ging ich mit Shmuel nach Deutschland. Mein Sohn hatte bei seinen Arbeitseinsätzen als Programmentwickler in München Michael Gregorg kennengelernt. Daraus hatte sich eine starke Freundschaft entwickelte. Michael arrangierte alles im Voraus, seine Frau und er luden uns ein, in ihrem Haus zu wohnen. Michael fuhr uns mit dem Auto zur Zeremonie, etwa 600 km weit entfernt, und zurück. Wir waren eine Woche lang seine Gäste, machten

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